Kein Freiheitskampf ohne Feminismus!

Im Rahmen der Kobane Aktionstage, haben wir uns als Flint*-Organisierung der Solidarischen Jugend Bewegung zusammengetan und wollen einen kleinen Teil zum 4. Tag dieser Woche beitragen.
2015 wurde die, vom sogenannten Islamischen Staat besetzte Stadt Kobane, von Verteidigungseinheiten der YPG/YPJ befreit. Kobane ist eine von 3 Kantonen der selbst verwalteten Region Rojava. Mit dem Angriff des IS wurde neben etlichen Zivilist*innen und Familien, auch der emanzipatorische Freiheitskampf der Kurd*innen, angegriffen.
Um an diesen beeindruckenden Widerstand der Kämpfer*innen zu erinnern und die Ideen der Revolution in Rojava hochzuhalten, finden dieses Jahr auf der ganzen Welt eine Woche lang Aktionen statt, die die verschiedenen thematischen Schwerpunkte des Freiheitskampfes in Kurdistan aufgreifen und auf die Straße bringen.
Der heutige Tag findet unter dem Motto Frauen*Kampf statt.
Die Parole Jin, Jiyan, Azadi heißt so viel wie Frauen, Leben, Freiheit. Es sind 3 sehr zentrale Begriffe der kurdischen Freiheitsbewegung die sich, anders als in der kapitalistischen Gesellschaft, gegenseitig bedingen und zusammen gedacht werden. Sie sind eine Art Leitfaden, wegweisend für eine befreite Gesellschaft. Aus diesen 3 Worten ergeben sich Fragen, die das Fundament einer emanzipatorischen Bewegung bilden. Wie wollen wir Leben? Was bedeutet Freiheit? Welche Position nimmt die Frau* im Kampf für ein lebenswertes Leben ein?
Eine der Vordenker*innen der Frauen*befreiungsbewegung in Kurdistan war Sakine Cansiz (*1958).Sie erkannte früh die Notwendigkeit der autonomen Organisierung der Frauen*. Sie ging als junge Frau* bereits in die Betriebe und organisierte dort Arbeiter*innen, außerdem setzte sie sich mit ihrer starken Persönlichkeit bei vielen Autoritäten durch und entwickelte so in sehr jungen Jahren eine starke revolutionäre Persönlichkeit.
Sie war vielen patriarchalen Machtstrukturen ausgesetzt, stellte sich jedoch selbstbewusst dagegen und baute die Frauen*befreiungsbewegung auf. Sie sah auch die Notwendigkeit des Internationalismus und eignete sich Wissen zu vielen Frauen*Bewegungen weltweit an.
Mit ihrer entschlossenen Haltung schrieb sie im ersten Teil ihrer Trilogie “Mein ganzes Leben war ein Kampf” zum Thema Frauenorganisierung:”Es war keine leichte Aufgabe, sich das notwendige Wissen über die Theorie und Praxis der Frauenbewegungen weltweit von der Vergangenheit bis heute anzueigen und daraus Schlüsse für Kurdistan zu ziehen. Vor uns lag eine ebenso schwierige wie auch schöne und wichtige Arbeit. Ich hatte keine Befürchtungen diesbezüglich und stellte nicht in Frage, ob es uns gelingen würde. Es war die schönste und notwendigste Arbeit, die ich mir vorstellen konnte”.
Die Selbstorganisierung der Frau ist mit einer enormen Stärke und einem großen Kampfgeist verbunden. Wie wir in der Vergangenheit sehen können, waren genau diese Werte und die Emanzipation der Frauen* dem Kapitalismus schon immer ein Dorn im Auge. Sakine wurde 2013 mit 2 weiteren Mitstreiterinnen vom türkischen Geheimdienst ermordet. Die Herrschenden konnten nicht ertragen, dass sich Frauen gegen ihre Unterdrückung zur Wehr setzten. Ein anderes Beispiel von unzähligen Versuchen die Stimme der Frau zu nehmen, ist die Ermordung von Rosa Luxemburg.
Rosa Luxemburg (*1871) wurde wie Sakine Cansiz der Repression des Staates und des Faschismus ausgesetzt und wurde am 15.01.1919 von Freikorpssoldaten ermordet. Sie bezeichnete sich selbst nie als Feministin. Doch ihr Ziel einer proletarischen Revolution ging für sie nur Hand in Hand mit der Befreiung der Frau. Sie erkannte schon früh, dass Feminismus intersektional gedacht werden muss. Soliadriät mit den Frauen im globalen Süden gehörte für sie genauso dazu, wie das Zusammendenken von anderen Unterdrückungsformen, wie zum Beispiel Klassismus, Rassismus oder Sexismus. Rosa Luxemburg setzte sich lautstark für das Frauenwahlrecht ein. Ihre Rede zum Frauenwahlrecht schloss sie mit den Worten ab : „Die jetzige kraftvolle Bewegung der Millionen proletarischer Frauen, die ihre politische Rechtlosigkeit als ein schreiendes Unrecht empfinden, ist ein (…) untrügliches Zeichen, dass die gesellschaftlichen Grundlagen der bestehenden Staatsordnung bereits morsch und ihre Tage gezählt sind. (…) Auch durch den Kampf um das Frauenwahlrecht wollen wir die Stunde beschleunigen, wo die heutige Gesellschaft unter den Hammerschlägen des revolutionären Proletariats in Trümmer stürzt.“ Gemeinsam mit Clara Zetkin stärkte sie die Autonomie und die Organisierung der Frauen mit der ersten internationalen Frauenkonfrerenz im Jahr 1907, dem ersten internationalen Frauentag am 8. März 1911 und der Frauen Anti-Kriegskonferenz im Jahr 1915. Aus der internationalen Frauenkonferenz gründeten sich anschließend in 15 Ländern autonome Frauengruppen.

Auch zwanzig beziehungsweise hundert Jahre später sind die Ideen der Kämpferinnen hochaktuell. Unser Feminismus ist intersektional und ebenso nicht aus anderen Freiheitsbewegungen rauszudenken. Um zu einer freien Gesellschaft zu kommen, ist die Befreiung der Frau* notwendig. Nach wie for gilt es, uns als FLINTA* (auch autonom) zu organisieren, um uns zu emanzipieren. Denn es gibt viel zu tun. Damals wie heute leben wir im Patriarchat und werden Tag für Tag unterdrückt und ausgebeutet. Von schlecht bezahlter Arbeit und weniger Aussicht auf Führungsposten, alltäglicher sexueller Belästigung und Objektifizierung bis hin zu Femiziden, vielerorts kaum Bildungschancen, kompletter Bevollmächtigung der Ehemänner und so weiter. Häufig ist die Unterdrückung auch mit anderen Diskriminierungsformen wie beispielsweise Rassismus verbunden. In jedem Fall steht der Kampf gegen die patriarchale Unterdrückung niemals allein, sondern im Kontext vieler Kämpfe. Wir müssen uns sowohl im eigenen politischen Kontext, als auch global vernetzen und organisieren, um für die weltweite Emanzipation der FLINTA* zu kämpfen. Gerade wir als junge FLINTA* brauchen Schutzräume, um uns zu entfalten; haben in der Hand, wie die Zukunft aussehen soll. Wir können von unseren Vorgänger*innen lernen und zusätzlich unsere eigenen Wege finden.
Also noch einmal klar und deutlich:

Keine Freiheitsbewegung onhe Feminismus!
Gegen den Faschismus und das Kapital; unser Feminismus ist intersektional und international!
FLINTA* WORLDWIDE, UNITE!

From Keimzelle to Kobanê: JIN, JIYAN, AZADÎ!

Selbstkritik:
Im Text haben wir den Fokus besonders auf zwei Persönlichkeiten gelegt, die in der Vergangenheit Teil der Emanzipationsbewegung waren und für viele Menschen Bezugsperson beziehungsweise Heldin sind. Auch wenn sie jeweils wichtige Rollen im feministen sowie generellen Freiheitskampf spielten, gab es noch viele weitere Frauen*, die um sie herum, mit ihnen gemeinsam oder auch schon vor ihnen wichtige Schritte gingen. Auf all diese starken und mutigen Frauen* sind wir in diesem Text kaum eingegangen, wie es leider häufig passiert. Doch auch wenn wir die Verehrung von Einzelpersonen oder sogenannte “Personenkulte” kritisch sehen, haben wir uns dennoch entschlossen, auf diese zwei Frauen der Geschichte besonders einzugehen und über ihre Ideen zu schreiben, unter anderem, da es in ihren Leben viele Parallelen gibt und sich anhand ihres Wirkens gut all den starken Frauen* gedenken lässt, welche vor und für uns kämpften.
Ihr könnt uns gern schreiben, wie ihr diese Problematik seht.