25. November internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen*

Femizid – Das Töten von FLINTA*, aus sogenanntem Frauenhass, Morde des patriarchalen Systems. Gewalt, die Cis-Männer nicht strukturell bedroht. Es geht nicht um Homizide. Es geht um die Ermordung von FLINTA* wegen ihres Geschlechts.
Femizid – Ein Wort, ein Begriff, der so banal sein könnte, abstrakt, Wäre er nicht mit so starken Gefühlen belegt. Mit Trauer, Angst und Wut. Da so viel dahinter steht. Genauer gesagt: ca 50.000 Leben pro Jahr. 50.000 Leben pro Jahr, das heißt 137 Existenzen pro Tag, das heißt 5 pro Stunde, das heißt Eine alle 12 Minuten. Eine, alle 12 Minuten – getötet infolge von Partnerschaftgewalt, durch Folter, im Namen der “Ehre”, das gezielte Töten von FLINTA* in bewaffneten Konflikten und Fälle von Femizid in verbindung mit Banden, organisierter kriminaltiät, Drogen sowie Frauen und Mädchen Handel. Ermordet nach dem Prinzip: Die Frau gehört mir – ohne mich oder meine Erlaubnis darf sie nicht leben. Mit dem Wort Femizid hat die südafrikanische Soziologin Dianna Russell die strukturelle Gewalt gezielt verdeutlicht.

Doch wir in Deutschland sind ja von dieser strukturellen Gewalt verschont. Wir sind ja aufgeklärt und haben Gleichberechtigungsbeauftragte. Wenn es bei uns zu “Familiendramen” kommt, wenn sogenannte Morde aus dem Affekt geschehen, dann sind das Einzelfälle.
Versuchte Einzelfälle jeden Tag. Tödliche Einzelfälle alle 72 Stunden.
111 tötliche Femizide, 200 versuchte Femizide im vergangenen Jahr.
Dabei verhamlosen solche Begriffe, Begriffe wie “Familiendrama” und “Eifersuchtstragödie” diese strukturelle Gewalt. Es ist wichtig, die Morde beim Namen zu nennen, um sie bekämpfen zu können. Denn das Motiv eines Femizides ist der FLINTA*hass des Täters, sein festgefahrener Sexismus.

Doch mit diesen Zahlen sind noch nichtmal alle genannt. Denn in den Kriminalitätsstatistiken des BKA sind zwar Morde an Frauen durch Partner erfasst, nicht aber all die anderen Auswüchse dieses Begriffes Femizid – Denn nicht alle FLINTA* sind auf gleiche Weise von struktureller patriarchaler Gewalt betroffen –
BIPOC Menschen,indigene Menschen, homosexuelle Menschen und Transmenschen sind durch die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen besonders gefährdet. Doch davon findet sich in den Statistiken keine Spur.

Aber schauen wir uns einmal an, was wir wissen. Zunächst einmal: Bei 2/3 der Morde durch aktuelle oder Expartner in Deutschland, sind FLINTA* die Opfer. Und auch bei anderen Formen von Partnerschaftsgewalt wie Körperverletzung, Vergewaltigung oder Stalking sind 82 Prozent der Betroffenen Frauen. Doch auch eine Trennung stellt oft keinen Schutz dar; 2/3 der Femizide passieren während einer Trennung oder danach.

Aber eigentlich fängt das Ganze schon viel früher an.
Denn hinter dem Begriff steht noch so viel mehr. Ein ganzes System, ganze Welten und Strukturen, welche immer und immer wieder erlauben und begünstigen, dass FLINTA* frühzeitig aus dem Leben gerissen werden.

Systeme, die mit Augenscheinlich Kleinen Dingen beginnen. Mit sexistischen sog. Herrenwitzen, mit catcalling, begrapschen, der Ausrede boys will be boys und Beschuldigung der Betroffenen. Mit Eifersucht, Besitzansprüchen, psychischer und physischer Gewalt. Mit Normalisierung, über Abwertung bis hin zu dem Punkt, wo Cis-Männer sich das Recht raus nehmen FLINTA* das Leben zu nehmen.

Und Deswegen sind wir wütend – bei jedem Fall erneut. Wütend, weil das nicht hätte passieren müssen, wütend denn das hätte nicht passieren dürfen, wütend, weil nicht alle so wütend sind wie wir. Wütend, weil der Staat immer noch unfähig ist notwendige Maßnahmen zu ergreifen, FLINTA* ernst zu nehmen, wenn sie in Gefahr sind.

Und so hat sich Marcela Lagarde, eine feministische Aktivistin aus Mexiko,
einen neuen abstrakten Begriff ausgedacht. Feminizid – um das Element der Straflosigkeit und die institutionelle Gewalt angesichts der mangelnden Rechenschaftspflicht und Reaktion des staates auf diese Unterdrückung und Gewalt zu erfassen. Ein Begriff, der verwendet wird, wenn es um die Verantwortung des Staates geht, der das Töten von Frauen duldet oder selbst verübt.

Wenn also in Deutschland z.B. FLINTA* in Angst vor einem Partner oder Expartner die Hilfe der Polizei suchen und diese nichts tun, weil es ja was persönliches sei. Oder wenn das Strafmaß für Täter nur gering ausfällt, weil er ja durch den Verlust der Geliebten das eigentliche Opfer sei. Oder es einfach kein Strafbestand Femizid in Deutschland gibt. In anderen Ländern wurde der Strafbestand schon aufgenommen. Dabei musste es erst zu einem Massenfemizid kommen. wir erinnern uns an Montreal Fakultät 1989. 14 Frauen wurden erschossen. Der erste juristisch anerkannte Massenfemizid.
“Ich will nur die Frauen töten, sie wollen Männern die Privilegien wegnehmen” so schrie der Täter der gezielt weiblich gelesenen Menschen das Leben nahm.
Doch selbst die rechtliche Anerkennung reicht nicht aus. So gibt es auch in Kanada immer noch viel zu viele unaufgeklärte Fälle des Verschwindens und der Tötung von vor Allem indigenen FLINTA*.

Und daraus folgt Angst, die Angst, dass die gesamte Existenz des eigenen seins, als eine weitere Nummer in der Statistik endet. Bzw noch nicht einmal als das. Weil der Staat und ein Großteil der Gesellschaft die Komplexität des Begriffs ganz einfach nicht anerkennt, sich nicht mal darum bemüht es zu verstehen. Und dazu kommt dann die Trauer. Trauer um jede, alle 12 Minuten. Jede, die diesem Begriff zum Opfer fällt. Alle 45 tausend dieses Jahr schon, und alle 5tausend die es dieses Jahr noch betreffen wird.

Aber gleichzeitig mit diesen Gefühlen ist Wissen und Mut. Das Wissen, dass wir diese Zahlen, diese Auswüchse nicht hinnehmen werden. Das Wissen und der Mut, dass wir hier stehen, Schulter an Schulter um wütend zu sein, unsere Trauer um alle Schwestern* rauszubrüllen und den Tätern zu zeigen: Das was ihr tut, ist nicht ohne Konsequenzen, ihr werdet uns niemals genug Angst machen, dass wir aufhören die Dinge beim Namen zu nennen und auf eine Sache könnt ihr Gift nehmen: Ob mit oder ohne Staat, ob mit abstrakten Worten oder durch Taten, Wir werden uns wehren!

Anbei der Link zu unserem Solivideo: https://vimeo.com/501416203